Stephanie Morcinek
Solo Travel: So fühlt es sich an, als Frau alleine zu verreisen
Aktualisiert: 4. Sept. 2020
Was tun, wenn die Einsamkeit kommt? Oder wenn Gefahr droht? Zwei Fragen oder vielmehr ihre Antworten, die viele Frauen davon abhalten, mit sich selbst in den Urlaub zu fahren. Dabei ist der Urlaub allein der Schlüssel, sich und seine Gefühle kennen zu lernen und sein Leben zu sortieren. Wie und warum? Das verrät Redakteurin Stephanie.

Ich will ganz ehrlich mit dir sein: Alleinreisen ist nicht immer das sinnerleuchtende Wundermittel, das viele auf ihren Selbstliebe-Blogs oder in Podcasts beschönigen. Zumindest nicht in den ersten Tagen. Zunächst fühlt es sich nämlich erstmal komisch an, ganz alleine zum Flughafen zu fahren oder in den Zug zu steigen. Das konsequente Ich-habe-etwas-vergessen-Gefühl sitzt auf deinem Schoss und nimmt dem Trip am Anfang der Reise die Leichtigkeit, die sie eigentlich haben sollte.
Du musst als Alleinreisende alles selbst regeln. Du kannst dich auf niemanden verlassen. Du musst dein Gehirn mitnehmen und kannst es im Gegensatz zu durchorganisierten Pauschalurlauben nicht auf dem Sofa liegen lassen und warten, dass du es nach dem Trip wieder in Empfang nehmen kannst.
Du allein bist auf einem Solo-Trip für dich verantwortlich
Ein Solo-Trip steigert dein Verantwortungsbewusstsein. Vor allem das Verantwortungsbewusstsein für dich selbst. Du musst allein schauen, wie du von A nach B fährst und auch mal deinen Mund aufmachen, wenn du nicht weiter weißt, fremde Menschen um Rat fragen oder Hilfe bitten. Das kann für manche Leute bedeuten, dass sie über ihren Schatten springen müssen. Doch so ein Schatten-Sprung hat immer auch ein Wachsen zur Folge. Ein Über-sich-Hinauswachsen.
Obwohl ich vorher schon alleine in London oder New York war, machte ich meinen ersten für mich richtigen Solo-Trip nach Peru in Südamerika. Während die Städtetrips für mich nicht weiter schlimm waren und ich diese Reisen weniger als Herausforderung ansah, war das mit Peru ganz anders. Es war ein komplett neuer, mir unbekannter Kontinent. Dazu kam die Sprache, die ich zwar sprach, aber nicht annähernd so gut wie Deutsch oder Englisch. Es machte mir regelrecht Angst, doch die Neugierde war größer. Genauso die Sehnsucht, dieses wunderschöne Land kennen zu lernen.
Angst wird zu Begeisterung
Keiner meiner Freund*INNEN hatte Lust, Geld oder Zeit mitzufahren. Doch sich von dieser Kleinigkeit aufhalten lassen, wollte ich nicht. Ich wollte dafür den Inka Trail laufen, wollte in Lima Ceviche essen und auf dem Titicacasee schippern. Doch als ich nach einem 14-Stunden-Flug in Lima am Kofferband stand, um meinen Backpack in Empfang zu nehmen, wollte ich vor allem eins: zurück in mein eigenes Bett nach München. Das, in dem ich heute Nacht schlafen sollte, musste ich erst noch finden. Und darauf vertrauen, dass mich ein Taxi in mein gebuchtes Hostel bringt und nicht in irgendeine zwielichtige Gegend, in der man mich dann beraubt, mein Handy abnimmt und mich irgendwo in diesem 10-Millionen-Moloch aussetzt.
Zum Hintergrund: Ein Freund erzählte mir kurz vor der Abfahrt von seiner Horrorgeschichte, in der er ein Taxi auf der Straße heran winkte, in das nach zehn Minuten Fahrt ein zweiter Fahrgast zustieg, der ihm einen Sack über den Kopf stülpte und einen Gegenstand an den Kopf hielt, bis er sein Tageslimit an Geld aus dem Automaten abhob. Er wurde jedoch glücklicherweise laufen gelassen...
Die erste Nacht 10000 Kilometer weit weg von zu Hause
Die Taxifahrt vom Flughafen in einem offiziellen Taxi, das man sich am Airport direkt nach der Gepäckhalle bestellen kann, war alles andere als gruselig. Ich packte meine paar Brocken Spanisch aus, unterhielt mich über Fußball und Bayern München und lies mir ein paar Dinge über Lima erklären. Dazu flogen die Häuser und später die Steilküste und das Meer der peruanischen Hauptstadt am Fenster vorbei. Ich wurde sicher an meinem Hostel abgesetzt und war heilfroh später in einem wirklich hübschen Zimmer mit Blick auf den Parque Manuel Solari einschlafen zu können.
Es braucht seine Zeit, sich auf einem Solo-Trip richtig zu aklimatisieren
Richtig tief wirst du wohl auch nicht schlafen in den ersten Nächten – bei mir war das zumindest so. Jedes Geräusch holte mich sofort aus dem Schlaf. Doch es wurde Nacht für Nacht besser. Und das, obwohl ich fast täglich in einem neuen Bett schlief. Nach Lima standen Stationen in Pisco, Arequipa, Cusco und Puno auf meiner To-Travel-Liste. Ich traf viele wunderbare Menschen, mit denen ich jeweils ein paar Tage oder auch nur Stunden verbrachten. Man tauschte sich aus, redete häufig über das typische Backpacker-Bla-Bla, doch manchmal traf man auch jemanden, dem man nach ein paar Stunden schon seine Gefühle, Ängste und Träume anvertraute.
Ich hatte wirklich Angst, den Inka Trail nicht zu bestehen, irgendwann auf dem Weg zusammenzubrechen und die Höhe nicht abzukönnen. Ich zweifelte auf der Reise so oft, hatte so oft das Gefühl, ich sei nicht fit genug, nicht klug genug, nicht gut genug. Doch irgendwann – bei mir war es am dritten Tag in den Anden, kehrte sich dieses Gefühl um. Ich wusste plötzlich ganz genau wer ich war, was ich wollte.
Du findest auf einem Solo-Trip zu dir
Das ganze Zweifeln, die negativen Gedanken und Gefühle braucht es definitiv, um dem Alleinreisen das zu entlocken, was es so einzigartig macht. Du merkst irgendwann, wer du wirklich bist. Du erkennst deine Stärken und siehst sie ganz klar vor dir. Nicht falsch verstehen, es gibt keine Erleuchtung oder ein Schlüsselmoment, in dem du plötzlich in einer Rauchwolke stehst und dir dein zweites Ich erscheint. Es ist vielmehr ein Gefühl im Bauch, das dir eine unsichtbare Kraft einpflanzt, ja lass es Mut und Tatendrang sein. Jedenfalls passiert irgendwann etwas mit dir. Bei mir war es zumindest so. Es ist vielleicht auch ganz einfach Stolz, dass du dich getraut hast, Zeit nur mit dir zu verbringen. Obwohl, wenn wir mal ganz ehrlich sind, wirst du auf einer Reise allein auch Zeit mit vielen verschiedenen Menschen verbringen, die in den Hostels, den Zügen oder Bussen auf dich warten. Doch es ist Zeit, die du bewusst anderen Menschen schenkst.
Hast du keine Lust auf andere, kannst du gehen, dich allein in eine Café setzen und Leute beobachten. Die Möglichkeiten, die 24 Stunden jedes Tages so zu gestalten, wie du es möchtest, ohne Rücksicht auf andere, ist ein wirkliches Geschenk, das dir zeigt, was dir wichtig ist. Wenn du merkst, dass dich alles nur nervt und du dich doof fühlst, alleine im Restaurant zu essen, dann ist auch das ein Geschenk. Es zeigt dir, dass du vielleicht mit einer Gruppenreise besser dran wärst als mit einem von dir allein organisiertem Trip.
Es gibt so viele Möglichkeiten. Du kannst sie alle nutzen. Du ganz allein.