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  • AutorenbildBirgit Bulla

Machen dich Menschen mit Pelzkragen und -mütze auch so aggressiv?

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob, wann und vor allem, wie ich diesen Artikel schreibe. Und ihn dann jedes Jahr aufs Neue weiter verschoben. Irgendwie hatte ich zu viel Angst und auch Respekt, weil es doch ein größeres Thema ist, mir persönlich ziemlich zu schaffen macht und mich berührt. Dieses Jahr ist es aber anders: Ich will und kann nicht länger warten, meine Wut braucht ein Ventil. Deswegen entschuldige ich mich auch gleich zu Beginn dafür, dass es durchaus sein kann, dass du Schimpfwörter in diesem Artikel findest und sich gewisse Leute angegriffen fühlen können. Aber das kann und will ich gar nicht ändern. Ich bin nämlich wirklich sauer! Und enttäuscht. Von soviel Ignoranz, Naivität und Dummheit. Du fragst dich, über was ich mich so aufrege? Über die Tatsache, dass noch immer so viele Menschen mit Pelzkrägen und Pelzbommeln an ihren Mützen rumlaufen.


(TRIGGER-WARNUNG: Es geht hier um brutales Tierleid)


Pelz ist kein Mode-Accessoires // Photo: Patrik Inzinger/Unsplash

Die bittere Wahrheit über den Pelzkragen


Sehe ich Pelz, sehe ich kein normales Fashion-Accessoire. Ich sehe das Tier, das diesen Pelz früher getragen hat. Wie es fast nackig mit einem zarten Flaum auf die Welt kommt. Wie sich dieser zarte Flaum im Laufe der Zeit zu einem immer dickeren und prächtigeren Fell entwickelt, das das Tier wärmen und beschützen soll. Wie das Tier aber genau wegen dieses Fells verängstigt in einem engen Käfige sitzt. Wie es panisch schreit und blutige Wunden leckt. Wie es brutal aus dem Käfigen gezerrt wird, um schließlich vergast, erschlagen oder mit einem Anal verabreichten Stromschlag getötet oder zumindest betäubt zu werden. Wie ihm anschließend das Fell über die Ohren gezogen wird – egal, ob es noch bei Bewusstsein ist. Wie dieses Tier anschließend als blutiges, nackiges Bündel in eine Grube geschmissen wird. Wichtig ist schließlich nur das abgezogene Fell, Fleisch interessiert in dieser Art der Tierausbeute nicht. Und warum das alles? Damit sich manche Menschen mit einem Pelzkragen oder einem Pelzbommel an der Mütze schmücken können.


Während ich diesen Text schreibe, sitzt Irmie, meine kleine schwarze Katze neben mir und miaut mich an. Dann hüpft sie auf meinen Schoß und möchte gestreichelt werden. Bei der Vorstellung, dass sie auch genauso gut in einem Zwinger sitzen könnte, um darauf zu warten, zu einem Pelzkragen verarbeitet zu werden, wird mir ganz schlecht. Und diese Vorstellung ist gar nicht so weit hergeholt. Es ist nämlich gar nicht so selten, dass Pelzbesatz von Hauskatzen stammt. Seit 2009 ist der Handel von Hunde- und Katzenfell zwar verboten, um das zu umgehen, nutzen Händler aber immer wieder Fantasie- und Tarnnamen. Und es ist ja auch nicht so, dass Pelz von Nerzen oder Marderhunden weniger schlimm ist. Hauptverwertungs-Tiere der Pelzindustrie sind übrigens Füchse, Iltisse, Nerze und Marderhunde.


Pelz-Overload: Der Markt in China wächst und wächst...


Bei meinem letzten Spaziergang durch den Englischen Garten in München habe ich mitgezählt: Etwa jede dritte Person kam mir mit einem Pelzbesatz an der Jacke oder Mütze entgegen. Ganz schön viel. Und ja, der Absatz von Pelz steigt. Seit 2008 ist der Umsatz kontinuierlich in die Höhe geklettert. Schaut man sich die Hochrechnungen an, wird der Umsatz in China dieses Jahr bei 3,05 Milliarden Euro liegen!!!! Laut dem Tierschutzbund werden jährlich 100 Millionen Tiere für Pelz getötet – hauptsächlich für den Besatz an Jacken. Aber wie kann das sein: In einer Statista-Umfrage gaben ganze 96 Prozent der Befragten an, keine Pelzbekleidung zu tragen und das auch nicht zu wollen. Meine Befürchtung: Viele Leute wissen gar nicht, dass sie echten Pelz tragen. Oft sind die Jacken nämlich schlichtweg falsch ausgezeichnet, so dass Käufer*INNEN im Glauben gelassen werden, eine Fake Fur Jacke zu kaufen. Und warum machen Händler das? Weil Echtpelz mittlerweile günstiger ist als Webpelz.


Ein Pelzkragen aus Echtpelz ist billiger als Webpelz!


Wenn du nun eine Pelzjacke besitzt und dir denkst – "die war so billig, das kann gar kein Echt-Pelz sein..." – Stopp! Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei leider sehr wohl um echten Pelz. Denn – Achtung, schlimm! – Echtpelz aus China ist billiger als Webpelz! Das ist mittlerweile so. Das Tier und sein eigens gewachsenes Fell ist weniger wert, als ein künstlich hergestellter Synthetikstoff. Das sollten wir jetzt alle mal sacken lassen. Einige Händler*INNEN wissen nichtmal, dass sie echten Pelz verkaufen. Als Ausrede zählt das aber trotzdem nicht. Im Jackenetikett steht immer, ob der Pelzbesatz synthetisch ist, oder nicht.



Aber Pelz ist doch nachhaltig und biologisch abbaubar?


Um das Image von Pelz etwas aufzupolieren, versuchen es einige Hersteller nun mit Greenwashing und packen die Ökokeule aus: Pelz soll nachhaltiger sein, weil er ja nicht künstlich hergestellt wird und biologisch abbaubar sei. Falsch! Laut der Tierschutzorganisation PETA sind die ökologischen Auswirkungen bei der Herstellung eines Nerzmantels fünfmal schädlicher, als die eines Pelzimitats. Für ein Kilogramm Pelz entstehen 110 kg CO2-Äquivalente (so nennt man die Maßeinheit der verschiedenen Treibhausgase und wie sie sich auf unser Klima auswirken). Aber auch kein Wunder, Massentierhaltung ist schließlich DER Klimakiller schlechthin. Und eine Pelzfarm ist ja nichts anderes. Daneben wird der Pelz natürlich noch mit allerlei Mittelchen und Substanzen bearbeitet. Bevor er in den Verkauf geht, muss er chemisch aufbereitet und haltbar gemacht werden. Klar, es handelt sich dabei ja um Leichenteile, die sonst verwesen würden (denk mal drüber nach...). Um das zu verhindern, werden die Tierhäute unter anderem mit Schwefelsäure, Formaldehyd und Bioziden bearbeitet. Viele dieser Stoffe gelten als Umweltgifte, die unsere Umwelt massiv belasten. Dass wir Kleidung, die mit diesen Mittelchen in Berührung gekommen ist, nicht am Körper tragen sollten, ist wohl logisch. Laut einer Untersuchung der Tierschutzorganisation VIER PFOTEN finden sich in vielen Pelzen gefährliche Rückstände, die bei Hautkontakt zu Krebs, Vergiftungen, verschiedenen Allergien und Hormonveränderungen führen können. Und sowas darf verkauft werden? Und – schlimmer – wird sogar noch gekauft???

Die zwei Lager der Pelzkragen-Träger*INNEN


Und dabei gibt es zwei verschiedene Arten von Pelzjacken: die teuren und die billigen. Und genau so kann man auch die Träger*INNEN einteilen. Da wäre zunächst die Canada Goose- und Woolrich-Fraktion. Hier kosten die Jacken um die 1000 Euro. Jacke oder Monatsmiete – du hast die Wahl. Aber ist natürlich auch wichtig: Hier in Deutschland gehen die Temperaturen ja schonmal runter bis - 45 Grad. Da braucht es eine super warme Daunenjacke mit Pelzbesatz. Ganz klar, dass einige Gänse und ein Kojote dafür dran glauben müssen. Wir wollen ja schließlich ordentlich schwitzen wenn wir bei -4 Grad am Glühweinstand stehen. Wo kämen wir denn dahin?


Weder schön noch brauchbar: Ein Pelzkragen // Photo: Frank Albrecht/Unsplash

Die andere Fraktion, also die No-Name-Jacken-Träger*INNEN, machen sich gar keine Gedanken über die Marke der Jacke oder über die Tatsache, dass bei einem Preis von nicht mal 70 Euro doch was nicht ganz stimmen kann mit den Material- und Arbeitsbedingungen. Die meist schwarzen Jacken mit dem hellbraunen Pelzbesatz werden meistens von jüngeren Menschen getragen. In Kombi mit engen Jeans und weißen FILA-Sneakern. Kaufen tut man diese Jacken meist in kleinen Buden (Läden mag ich sie gar nicht nennen) rund um die Hauptbahnhof-Gegend. Hier sind sie dann zu Hauf ordentlich auf Bügeln aufgereiht, so dass man als Kund*IN nur noch zugreifen muss. Und wenn die Größe vergriffen ist, hängen im Lager natürlich noch viel mehr.

Passend dazu werden auch hier die Mützen mit Pelzbommel angeboten. Und was dieser Pelzbommel soll, habe ich noch nie verstanden. Der tut nichts, außer blöd aussehen. Wie eine behaarte Warze auf dem Kopf, die bei jedem Schritt im Takt hin- und herwackelt. Das Schlimme: Sogar Kleinkinder tragen diese Dinger. Die können sich ja nichtmal gegen ihre dummen und naiven Eltern wehren. Würde mich mal interessieren, wie die das finden, wenn sie wüssten, dass der Pelzbesatz auf der Mütze vor einer Woche noch das süße weiße Kaninchen Pummel war... Geht natürlich nicht. Viel zu brutal. Lieber gar nicht drüber reden. Das Fell ist ja schließlich auch sooooo weich und fluffig. Awww, herrlich! Das stimmt schon, aber – Dingdong – diese Fluffigkeit ist nicht für dich bestimmt gewesen, sondern für das arme Tierchen, dem das Fell über die Ohren gezogen wurde.


Was ich nicht verstehe: Wir leben in einer Zeit, in der wir von Informationen nur so überflutet werden. Wir kriegen alles mit – ob wir wollen oder nicht. Deswegen wissen wir alle, dass Echt-Pelz Tierquälerei der schlimmsten Sorte ist. Und Mord. Wie kann man sich da ohne schlechtes Gewissen eine Jacke mit Fellbesatz zulegen. Wie läuft das? Schafft man das mit guten Verdrängungs-Skills? Oder einer extrem ausgeprägten Sch**ßegal-Einstellung? Oder ist es am Ende einfach doch nur die Dummheit, die Dreistigkeit, dass man sich darüber gar keine Gedanken macht, wo dieser Pelz, der da an der Kapuze oder der Mütze hängt, mal gelebt hat. Ist es am Ende wirklich so einfach? Und so traurig?


Na, an was erinnert dieser Pelzkragen?! // Photo: Guillaume Bolduc/Unsplash

Da fällt mir ein witziger Vergleich ein: "Pelzträger sind Arschlöcher und sehen auch aus wie welche!" Diese Aussage kommt nicht von mir. Es ist ein Slogan, den sich kreative Tierschützer*INNEN ausgedacht haben. Aber nicht, weil sie Menschen mit Pelzkapuzen beleidigen wollen. Weil es wahr ist. Gesichter, die von einer Pelzkragen-Kapuze umrahmt werden, sehen aus, wie eine Rosette. Achte mal drauf. Die Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen.


Gut oder schlecht? Die Zukunft der Pelzindustrie


Trotzdem möchte ich diesen Post mit positiven Meldungen beenden: Durch Corona werden die Schreie nach einem Verbot der Pelzzucht immer lauter. Zumindest in Europa. Nachdem auf Nerzfarmen in Dänemark eine mutierte Form des Coronavirus nachgewiesen wurde, mussten dort alle Tiere getötet werden. Sie wurden in Massengräbern entsorgt. So schlimm und traurig das ist, so gut könnte es für die baldige Beendigung der Pelzzucht sein: Kopenhagen Fur, das weltweit größte Auktionshaus für Pelze musste dicht machen, immer mehr Politiker*INNEN fordern ein Verbot. In Österreich, Großbritannien, Kroatien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien sind Pelzfarmen gesetzlich verboten. In Deutschland ging das Licht für die letzte Pelzfarm im März 2019 aus. (Quelle: ZDF).


Mindestens genauso wichtig wie in Europa, wären strengere Regeln in China. Ein Importverbot müsste her. Dann würde sich auch dort etwas tun. Da der Markt dort aber stetig wächst, werden wir darauf wohl leider noch lange warten müssen.


Deswegen ist es wichtig, dass wir Konsument*INNEN darauf achten, was wir kaufen. Verzichte auf einen Pelzbesatz an Kapuze und Mütze. Wenn es dir optisch gefällt, achte darauf, dass es sich zu 100 Prozent um Webpelz handelt. Sprich deine Freund*INNEN darauf an und kläre zur Not auf. Lasst uns gemeinsam versuchen, den Pelzmarkt unattraktiv zu machen. Und ganz ehrlich: Mit fremden Federn – oder eben mit fremden Fell – zu schmücken, hast du gar nicht nötig. Du siehst mit warmen Jacken und Mänteln ohne Tierleid viel besser aus!

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