Katja Brömer
Illegaler Welpenhandel: Darum solltest du niemals Hunde im Internet kaufen
Aktualisiert: 24. Sept. 2021

Seit Beginn der Corona-Pandemie boomt das Geschäft mit Haustieren. Da es vielen während des Lockdowns zu Hause langweilig wurde, schien die Lösung durch ein Tier – allen voran durch einen Hundewelpen – als neues Familienmitglied gefunden. Leider war nicht etwa das örtliche Tierheim oder eine Tierschutzorganisation die erste Anlaufstelle, sondern oftmals das Internet, allen voran die Seite von ebay Kleinanzeigen. Dass die meisten Angebote aus dem illegalen Welpenhandel stammten, scheint viele Neu-Tierbesitzer:INNEN nicht zu stören.
Nach Zählungen der Tierschutzorganisation Vier Pfoten wurden innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres 2021 bereits 1.157 Tiere aus illegalem Handel, Transporten oder Zuchten sichergestellt – damit sind bereits jetzt die Vorjahreszahlen deutlich überschritten.
Die Dunkelziffer ist dabei noch viel höher: Laut einer EU-Studie ist davon auszugehen, dass monatlich rund 50.000 Tiere innerhalb der Mitgliedstaaten gehandelt werden.
Derzeit werden vor allem Chihuahuas, Zwergspitze, Französische Bulldoggen und Labradore über Online-Plattformen angeboten. Wir möchten mehr über dieses grausame Geschäft erfahren und haben uns zu einem Gespräch mit der ExpertIN Birgitt Thiesmann von Vier Pfoten getroffen, die uns über die Vermehrerstationen berichtet und wertvolle Tipps hat, wie Verbraucher:INNEN illegale Welpenhändler erkennen und zur Anzeige bringen können.
femininINNEN: Liebe Birgitt, erzähl’ doch erst einmal ein wenig über dich, wie bist du zu "Vier Pfoten" und dem Thema „Illegaler Welpenhandel“ gekommen?
Birgitt: "Ich war 22 Jahre lang als Redakteurin beim 'Bravo-Magazin' beschäftigt, habe dort viele Tiergeschichten für und mit der Organisation 'Vier Pfoten' geschrieben. Nach einiger Zeit fragte mich der damalige Vier Pfoten-Chef Heli Dunger, ob ich mir nicht vorstellen könnte, Vollzeit bei seiner Organisation einzusteigen. Nach kurzer Zeit, habe ich eine Kampagne zum Thema 'Illegaler Welpenhandel' angestoßen. Das war vor ungefähr 13 Jahren. Das Thema war damals noch sehr unbekannt, es gab wenig Informationen."
feminINNEN: Heutzutage ist es ja ziemlich einfach, einen Hund im Internet zu verkaufen. Wie war das vor 13 Jahren?
Birgitt: "Es gab damals bereits Internet, es fehlten uns jedoch jegliche Informationen darüber, wo diese Tiere herkommen und wie das Ganze organisiert ist. Wir brauchten einen Anhaltspunkt. Also habe ich mich auf den Weg zu den Osteuropäischen Märkten gemacht: Tschechien, Ungarn, Polen, Bulgarien... Von dort aus konnte ich zurückverfolgen, wo diese Hunde her kommen, wo sich die sogenannten „Vermehrerstationen“ befinden, abgeschottet, mitten im Nirgendwo. Das war eine Art Durchbruch für uns."
feminINNEN: Wie können wir uns eine 'Vermehrerstation' vorstellen?
Birgitt: "Es ist der Horror. Es riecht wegen der Exkremente so stark nach Amoniak, dass mensch kaum atmen kann. In dieser Luft leben die Muttertiere ihr ganzes Leben lang, an Ketten gelegt, in einer dunklen Ecke. Diese Tiere haben noch nie Tageslicht gesehen, bekommen oft nur schimmeliges Brot zu fressen und sind sehr krank. Sie haben verfilztes Fell, Brüche, teilweise sogar offene Tumore – um nur ein paar Details zu nennen. Die einzige Aufgabe, die diese Hunde haben, ist es, zu gebären. Auch sterbende und kranke Welpen gehören zum Bild in einer Vermehrerstation dazu."

femininINNEN: Wie lange leben die HündINNEN in diesen Stationen?
Birgitt: "Nach zwei bis vier Jahren haben solche Muttertiere ausgedient und können nicht mehr 'produzieren', dann werden sie entsorgt, aber da möchte ich auf keine Details eingehen…"
feminINNEN: Wie viele Personen sind an diesem Prozess beteiligt?
Birgitt: "Es handelt sich dabei um organisierte Bandenkriminalität. Hier in Deutschland sitzen die Auftraggeber:INNEN und „bestellen“ die Tiere im Ausland. Dort gibt es die Vermehrer:INNEN und Personen, die solche Transporte organisieren. Hinzu kommen die Fahrer:INNEN, die die Tiere nach Deutschland bringen sowie die Verkäufer:INNEN in Deutschland, die die Hunde so schnell wie möglich los werden wollen. Das ist ein großes Business, an dem jeder mitverdient."
femininINNEN: Wie hat sich die Lage für die Hunde während der Corona-Pandemie in den letzten 1,5 Jahren verändert?
Birgitt: "Die Menschen saßen zu Hause im Lockdown, fühlten sich einsam. Damit hat der Welpenverkauf unwahrscheinlich an Fahrt aufgenommen. Die Preise sind immens in die Höhe geschossen. Die Menschen waren bereit, jeden Preis zu zahlen, da der Markt lehrgefegt war. Während in deutschen Tierheimen nicht jeder sofort einen Hund bekommt, kann ich im Netz per Mausklick meinen Wunschhund in wenigen Klicks ordern. Zu Beginn haben die Hunde noch 200-300 € gekostet, da hießen sie noch „Wühltischwelpen“. Dann haben die Händler dazugelernt und die Preise stiegen auf unglaubliche Summen von 4.000 bis 5.000 € pro Hund. Zu Corona-Hochzeiten war es tatsächlich so, dass Menschen sogar Anzeigen aufgegeben haben, um einen Hund zu finden. Und das hat diesen Händler:INNEN natürlich in die Hände gespielt. Ich kann nur davon abraten, solch eine Suchanzeige aufzugeben."
femininINNEN: Gibt es eine Geschichte aus dem letzten Jahr, die dich besonders bewegt hat?
Birgitt: "Eine Geschichte aus dem letzten Jahr hat mich tatsächlich nicht mehr los gelassen. Im März 2020 ist mir eine Anzeige bei ebay Kleinanzeigen aufgefallen. Hier hat eine Person zwei Wochen alte Welpen zum Verkauf angeboten. Ich habe mich dann als InteressentIN ausgegeben und bin undercover zusammen mit einem Fernseh-Team dort hingefahren. Diese Frau hat tatsächlich zwei Wochen alten Malteser-Welpen dem Muttertier entrissen, welches fürchterlich geschriehen hat, und uns zum Kauf angeboten. In gebrochenem Deutsch hat die Frau uns erklärt, dass wir zum Tierarzt gehen könnten, um uns einen Ersatz für die Muttermilch zu besorgen. Wenn sie diese Welpen tatsächlich an nicht-fachkundige Menschen verkauft hätte, wären diese mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gestorben. Wir haben die Polizei gerufen und konnten so verhindern, dass die Welpen verkauft werden. Das ist aber kein Einzelfall. Die Tiere werden grundsätzlich viel zu früh von ihren Müttern getrennt."
femininINNEN: Welchen Konsequenzen gab es für die Frau?
Birgitt: "Sie hat eine Anzeige bekommen. Das Veterinäramt sorgte außerdem dafür, dass die Welpen bei ihrer Mutter bleiben konnten und nicht verkauft wurden. Bis jetzt ist es noch nicht zu einer Verurteilung bekommen, aber sie muss mindestens mit einem Bußgeld rechnen. Es ist in manchen Fällen aber auch schon so weit gekommen, dass wir Welpenhändler:INNEN ins Gefängnis begleitet haben."

femininINNEN: Und was sagt ebay Kleinanzeigen, dass solche illegalen Geschäfte auf der Plattform betrieben werden?
Birgitt: "Wir sind seit Jahren mit ebay Kleinanzeigen in Verhandlungen und verlangen, dass sich solche Händler ordentlich registrieren und ausweisen müssen. Aber ebay weigert sich und unterstützt damit das Leid vieler Tiere. Ebay bietet die perfekte Plattform für ein illegales Geschäft. Wenn ein:e Händler:IN auffliegt, wird einfach ein neuer Account angelegt, fertig."
femininINNEN: Wie erkenne ich, ob ein:e Züchter:IN seriös ist?
Birgitt: "Ein:e vernünftige:r Züchter:IN gibt die Welpen nicht einfach weg, er/sie möchte die neuen Besitzer:INNEN ganz genau kennen lernen. Oft schon weit im Voraus, bevor die Welpen überhaupt auf der Welt sind. Dann fährt mensch immer wieder hin, um den Hund langsam kennenlernen zu können. Dieser Prozess dauert einige Monate und ist nicht von heute auf morgen möglich. Ein/e gute Züchter:IN versichert sich, dass es dem Hund in seinem neuen Zuhause gut geht und er dort ein artgerechtes Leben führen kann. Als Käufer:IN sollte ich mich ebenfalls vorab eingehend über den/die Züchter:IN informieren. Die illegalen Verkäufer:INNEN sind Teil einer langen kriminellen Kette und nur darauf aus, die Hunde loszuwerden – zum höchsten Preis und so schnell wie möglich. Da werden keine Fragen gestellt. Solange das Geld auf dem Tisch liegt, wird der Welpe verkauft."
femininINNEN: Wie können wir uns denn so eine Übergabe vorstellen?
Birgitt: "Die illegalen Händler:INNEN geben „Fake-Adressen“ an und warten bereits schon vor dem Haus auf die Interessent:INNEN. Gerade während der Corona-Zeit war es ziemlich einfach, solch ein Treffen im Freien stattfinden zu lassen. Leider ist es um die meisten Menschen schon geschehen, wenn ihnen der kleine Welpe in den Arm gedrückt wird, sie fragen dann gar nicht mehr nach und vergessen, dass so ein Geschäft seltsam erscheint. Im Nachhinein wenden Sie sich dann verzweifelt an uns, weil es weder Impfpass noch einen Kaufvertrag gibt. Dann ist es jedoch leider schon zu spät. Die vermeintlichen Verkäufer:INNEN sind an den vermeintlichen Adressen nicht mehr auffindbar, der Account ist meist gelöscht und die Spur damit verwischt."

femininINNNEN: Wie verhalte ich mich, wenn klar wird, dass ich es mit einem/einer illegalen Welpenhändler:IN zutun habe?
Birgitt: "Sobald etwas seltsam erscheint, würde ich einen Kaufvertrag verlangen, auf dem der Name und die Adresse der Händler:IN eingetragen ist. Außerdem würde ich mir zum Abgleich den Ausweis vorlegen lassen. Vom Kauf zurückzutreten, wäre natürlich das Beste. Außerdem: Auf ebay Kleinanzeigen die Augen offen halten. Sollte die Anzeige der alten ähneln, könnt ihr sofort Vier Pfoten anrufen und uns so bei der Recherche unterstützen. Das ist eigentlich die einzige Möglichkeit, diesen Händler:INNEN auf die Schliche zu kommen."
femininINNEN: Kannst du etwas über die Krankheiten erzählen, die solch ein Welpe mitbringen kann?
Birgitt: "Die typischen Krankheiten, die aus Osteuropa mitgebracht werden, sind Parvovirose und Staupe. Zwei hochansteckende Viruskrankheiten, die so schnell übertragen werden, da die Tiere nicht geimpft sind. Die meisten Welpen sterben qualvoll, da ihr Immunsystem geschwächt ist."
femininINNEN: Gibt es Reaktionen von Seiten der Politik zu diesem Thema?
Birgitt: "Wir arbeiten auch politisch, das ist somit das Wichtigste, sonst würde unsere Arbeit auf langer Sicht keinen Sinn machen. Wir haben ein Büro in Berlin und Brüssel und betreiben Lobbyarbeit. Leider ist es so, dass Julia Klöckner, die BundesministerIN für Landwirtschaft, bisher gar nichts unternommen hat. Wir haben eine Petition überreicht und erst letztens eine von vielen Aktionen vor dem Brandenburger Tor zum Thema Illegaler Welpenhandel gehabt. Frau Klöckner kennt das Problem der unkontrollierten Internet-Verkäufe seit Jahren. Unsere Forderung ist es, das Ganze sicherer zu machen, wofür wir auch eine Modellösung entworfen haben. Hier fordern wir, dass kein Mensch anonym ein Tier verkaufen kann. Der/die Verkäufer:IN muss immer rückverfolgbar sein. Zudem muss ein Hund in Deutschland nicht gechipt oder registriert sein. Das ist ein großes Problem. Frau Klöckner weigert sich jedoch, diese Themen umzusetzen. Politiker:INNEN können dafür Sorgen, dass solche Dinge umgesetzt werden, aber bisher ist rein gar nichts passiert."
femininINNEN: Was kann ich tun, wenn ich helfen möchte?
Birgitt: "Am Wichtigsten: Keinen Hund aus dem illegalen Welpenhandel kaufen! Wendet euch an euer örtliches Tierheim oder an eine seriöse Tierschutzorganisation, es gibt so viele arme Hunde hinter Gittern, die jahrelang sehnlichst auf ein tolles Zuhause warten. Der Rassehund ist einfach überbewertet. Ich selbst habe einen Hund aus dem Tierschutz und Rudi ist das Beste, das mir je passiert ist."
