Stephanie Morcinek
Hört endlich auf mit dem #singlewomanshaming!
Anfang 30, ohne Partner:in, ohne Kinder. Für viele ein scheinbar trauriges Leben. Dabei fühlen sich viele Singles durchaus wohl und lieben ihr Leben. Deshalb sollten wir endlich Schluss damit machen, Singles ständig einreden zu wollen, erst ein Leben zu zweit ist lebenswert. Ein Plädoyer gegen das Verurteilen von Single-Frauen!

Sorry, liebe Freund:innen, es reicht! Ich schreibe euch diese Zeilen, weil ich genervt bin. Enttäuscht. Ja sogar ein bisschen zornig. Ein bisschen sehr zornig. Die Feiertage sind vorbei. ENDLICH, möchte ich schreien. Denn vor allem im Dezember bekommen Singlefrauen besonders nett und unausweichlich dargestellt, wie traurig und einsam doch ihr Dasein ist. „Ach, du bist immer noch alleine“, sagte eine Nachbarin meiner Eltern mit seeeehr mitleidigem Gesichtsausdruck, die ich – klar – seit dem letzten Weihnachtsfest nicht mehr gesehen habe – und die keine Ahnung hatte von dem Mann, den ich 2017 datete, der erst sehr lieb und aufmerksam war, sich dann nach einigen Monaten jedoch als griesgrämig und festgefahren zu erkennen gab – zwei Eigenschaften, die ich leider überhaupt nicht abkann und nach deren Entdeckung ich für mich entschieden haben, doch lieber alleine zu bleiben. Bei mir kann ich nämlich sicher sein, Zeit mit einem fröhlichen und offenen Menschen zu verbringen.
Toppen konnte das nur noch die Freundin meines Vaters: „Ich finde, Kinder geben der Welt erst richtig Sinn. Mit Mitte 30 muss man seine Ansprüche zurückschrauben und sich auch mal auf einen Mann einlassen. Das Glück kommt dann schon mit dem Kind“. Ich wusste gar nicht, wie ich auf diese 50er-Jahre-Meinung reagieren sollte und tat so, als verschlucke ich mich an ihren zu trockenen Lebkuchen und rannte ins Badezimmer.
Mit großer Wut im Bauch fuhr ich zu einer sehr guten Freundin, ebenfalls Single seit einiger Zeit. Wir kotzten uns aus, lasen Statistiken, die übrigens besagen, dass knapp 62 Prozent der Singles in Deutschland mit ihrem partnerlosen Leben glücklich und zufrieden sind und stellten beide fest, dass wir nicht nur für unser kinderloses Leben ständig Seitenhiebe kassieren müssen, sondern dass wir das #singlewomanshaming noch viel schlimmer finden.
Mitleidige Blicke, verständnislose Mienen, kopfschüttelnde „Das-kann-doch-gar-nicht-sein-es-muss-doch-jemand-für-dich-geben“-Sprüche. Ich sage aber: Doch, das kann sogar sehr gut sein. Ich habe eine lange und glückliche Beziehung erleben dürfen. Ich weiß, wie sich Liebe anfühlt und kann ein Kribbeln von echten Gefühlen unterscheiden. Und vielmals ist das Kribbeln bei den Männern, die ich in den letzten Monaten getroffen habe vielleicht auch einfach nur der Sekundenzeiger meiner inneren Uhr, der in mir minimal ausschlägt und mir sagen möchte, dass die Zeit langsam abläuft und ich mich endlich mal entscheiden müsse. Klar, mein biologischer Zeitmesser tickt, und ja, er tickt heute etwas lauter als noch vor drei Jahren (übrigens ist Uhrenticken das nervigste Geräusch, das es gibt). Aber ich kann doch auch keine Internetseite aufrufen, ein paar Fakten zu Aussehen und Charakter eintippen und schon bringt mir der DHL-Bote drei Tage später meinen Traummann nach Hause. Die angeblichen Traummänner von heute haben Gott sei Dank einen Rücksendeschein ans Single-Leben und den fülle ich liebend gerne aus, wenn ich merke, dass dieser Mensch nicht wirklich zu mir passt.
Versteht mich nicht falsch, ich würde mir natürlich eine glückliche Partnerschaft wünschen, und ja, auch Kinder hätte ich gerne. Aber ich bin auch der festen Überzeugung, dass mein Partner passen muss. Und zwar nicht nur ein bisschen. Ich weiß wer ich bin, was mich nervt, was mir nicht gut tut. Und wenn ein Mann diese negativen Gefühle in mir triggert, dann kann ich leider nichts anders machen, als Goodbye zu sagen. Das macht eine neue Partnerschaft nicht leichter, schon klar. Doch sorry, wenn es um die Liebe geht – zumindest die Anfangs-Euphorie – lasse ich keine Kompromisse zu.
Die Liebe macht nichts. Und das muss sie auch gar nicht.
Warum muss man sich als Single-Frau ständig erklären und der Frage stellen, was die Liebe mache. Die Liebe macht nichts. Und das muss sie auch gar nicht. Sie kommt schon, wenn sie es für richtig befindet. Gibt es für euch keine anderen Themen?
Wir sind doch angeblich alle so offen für die Zukunft, für die Technik und Digitalisierung. Warum gibt es dann immer noch diese Mitleidsblicke, wenn man sich mit Mitte 30 den angeblichen Traum von Vater-Mutter-Kind + kleines Häuschen am Stadtrand nicht erfüllt hat? ICH MAG MEIN SINGLELEBEN.
Ich lebe gerne in meiner zwei Zimmer-Wohnung, von der aus ich in die Innenstadt einer Millionenmetropole laufen kann. Ich freue mich, wenn ich Sonntag früh im Schlafanzug im Bett bleiben und die Reste vom bestellten Thai-Essen von gestern aufessen kann, danach zum Bikram Yoga radel und abends mit einer Freundin die neue Bar austeste. Und auch alleine verreisen kann schöner sein, als ein Trip mit einem Partner, der ständig an Essen, der Natur und den Hotelbetten herumnörgelt.
Das Singleleben für Frauen ist nicht schlecht. Nein, es ist richtig genial. Wir haben Zeit für uns, für Freunde und Familie, geben unser Geld für das aus, was wir wirklich brauchen und müssen nicht die Hälfte für irgendwelche Ambilight-TV-Geräte zahlen, nur, weil der Partner sich einen neuen Fernseher einbildet und von seinem Schatzi erwartet, die Hälfte der Anschaffungskosten zu übernehmen.
Wir sind die coolen Tanten, die sich viele Mütter für ihre Kinder wünschen. Wir haben Energie und gute Ideen und sind nicht gestresst, genervt oder gerade im Clinch mit unserem Partner.
Wir bekommen unseren Beruf und die Liebe perfekt synchron gemanagt. Denn Liebe zu sich selbst muss nicht anstrengend sein, wenn man sich auf sie einlässt und erkennt, was einem gut tut.
Die mitleidigen Blicke und undurchdachten Sprüche gehören auf keinen Fall dazu und werden beim nächsten Mal entweder ignoriert. Oder ich hole meine Tinder-Matches heraus und halte sie den neugierigen 50er-Jahre-gebrainwashten Leuten unter die Nase. Einen Freund? Pah! Ich hab mehrere!
(Dieser Text erschien zuerst auf neon.de)