Stephanie Morcinek
Be A Lady They Said: Können wir es der Gesellschaft jemals recht machen?

Es ist jetzt knapp ein Jahr her, dass ein Video viral ging, in dem eines der Hauptprobleme der meisten Frauen* thematisiert wird. Obwohl es sich schon um "alten" Content handelt, ist das Video und seine Botschaft immer noch top-aktuell. SchauspielerIN und PolitikerIN Cynthia Nixon, die den meisten als Miranda Hobbs aus der Serie "Sex and the City" bekannt sein dürfte, rezitiert in dem 3-Minuten-Clip für das Magazin "Girls Girls Girls" ein Gedicht, das von der jungen AmerikanerIN Camille Rainville verfasst wurde. Camille drückt mit Worten aus, was viele Frauen alltäglich fühlen: Sie beschreibt, dass wir ständig unter Druck stehen, dies oder jenes sein zu müssen, um den Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Erwartungen, die sich ständig widersprechen. Ein kleiner Auszug:
Be a lady they said. Your skirt is too short. Your shirt is too low. Your pants are too tight. Don’t show so much skin. Don’t show your thighs. Don’t show your breasts. Don’t show your midriff. Don’t show your cleavage. Don’t show your underwear. Don’t show your shoulders. Cover up. Leave something to the imagination. Dress modestly. Don’t be a temptress. Men can’t control themselves. Men have needs. You look frumpy. Loosen up. Show some skin. Look sexy. Look hot. Don’t be so provocative. You’re asking for it. Wear black. Wear heels. You’re too dressed up. You’re too dressed down. Don’t wear those sweatpants; you look like you’ve let yourself go....
"Be a lady they said" – Frauen und der ständige Druck der Gesellschaft
Obwohl das Video schon über elf Monate durchs Netz geistert und Camilles Gedicht bereits drei Jahre alt ist, hat sich an dem Druck, der auf uns lastet, rein gar nichts verändert. Das Video ist demnach aktuell denn eh und je und deshalb immer noch Grundlage für zahlreiche Diskussionen.
Frauen, die keine Kinder wollen, müssen sich genauso rechtfertigen, wie Frauen, die fünf oder mehr Kinder bekommen. Uns wird beigebracht lieb, nett und leise zu sein, dann sollen wir an anderer Stelle doch mal laut sein und uns bemerkbar machen. Wir sollen unsere Muskeln trainieren, aber bitte nicht zu muskulös sein. Wir sollen jugendlich sein, unsere Falten mit Botox unterspritzen, dabei aber bitte ganz natürlich aussehen. Wir sollen Mutter werden, den Haushalt in Ordnung bringen, dabei aber am besten noch 40 Stunden arbeiten und möglichst auch noch Karriere machen.
Be a lady they said. Don’t talk too loud. Don’t talk too much. Don’t take up space. Don’t sit like that. Don’t stand like that. Don’t be intimidating. Why are you so miserable? Don’t be a bitch. Don’t be so bossy. Don’t be assertive. Don’t overact. Don’t be so emotional. Don’t cry. Don’t yell. Don’t swear. Be passive. Be obedient. Endure the pain. Be pleasing. Don’t complain. Let him down easy. Boost his ego. Make him fall for you. Men want what they can’t have. Don’t give yourself away. Make him work for it. Men love the chase. Fold his clothes. Cook his dinner. Keep him happy. That’s a woman’s job. You’ll make a good wife someday. Take his last name. You hyphenated your name? Crazy feminist. Give him children. You don’t want children? You will someday. You’ll change your mind.
Camille spricht mit ihren Worten so viele Bereiche des Lebens an. Und egal, welche Gegensatzpaare es auch sind. Es sind genau diese Zwiespalte, in denen wir Frauen uns immer wieder befinden. Machen wir es auf die eine Weise, hagelt es Kritik. Stellen wir uns dagegen, prasseln anderweitig Kommentare auf uns nieder.
"Be a lady they said" – Camille Rainvilles Hymne gegen den alltäglichen Sexismus
Das Video und Camilles Gedicht ist und bleibt eine Kampfansage an die Gesellschaft und deren ständige Erwartungen an uns Frauen. Erwartungen, die sich fast sekündlich zu widersprechen scheinen. Die Vogue bezeichnet Camille Rainvilles Worte als die neue Hymne gegen den alltäglichen Sexismus. Eine passende Bezeichnung. Weil sie so ehrlich und so greifbar ist.
Bestimmt hast auch du den ein oder anderen Satz schon mal gehört. Von deinen Eltern, von Freunden, in Filmen, als Werbebotschaft, in Medien. Viele der Sätze scheinen beiläufig zu fallen, doch treffen sie immer einen Nerv. Der, der für unsere Unsicherheiten verantwortlich ist. Denn wie und nach welchen Regeln sollen wir denn nun leben? Was ist richtig, was ist falsch? Welche Werte sind gut, welche schlecht? Blickt da überhaupt noch jemand durch?
Einen Rat zu geben, wie richtig mit diesen vermeintlichen Ratschlägen und Imperativen umgegangen werden soll, ist schwierig. Denn selbst die, die vermeintlich nichts darauf geben, was andere über sie sagen, haben nicht immer die berühmte Teflon-Beschichtung auf ihrer Seele, die alles abprallen lässt, was da nicht hingehört. Worte können Waffen sein, die uns tief verletzen. Dann nämlich, wenn wir unser Verhalten reflektieren. Wenn wir merken, dass wir nicht all das sein/werden können, was von uns erwartet wird.
Auch, wenn vermeintlich tolle Memes mit "You can be anything" toll klingen und sich erst mal gut anfühlen, sind sie doch eine Lüge. Wir können nicht alles sein, wir können nicht alles werden, wir können nicht alles wissen. Müssen wir auch gar nicht. Wir sollten auf unser Herz und unseren Bauch hören, darauf, was uns gut tut. Nicht darauf, was die anderen gut heißen.
Der Druck der Gesellschaft – so habe ich ihn selbst erlebt
Glaub mir, das schreibt sich hier ganz leicht, ich bin auch nicht davor gefeit, mich ständig zu hinterfragen. Ich musste selbst die schmerzhafte Erfahrung machen, dass ich mich von der Gesellschaft in eine Rolle habe zwingen lassen, die ich tief in mir nicht einnehmen wollte. Von der ich jedoch dachte, dass ich sie einnehme müsste. Ich habe mit 28 meinen damaligen Freund geheiratet, mit dem ich bereits sieben Jahre zusammen war. Tief im Inneren habe ich gespürt, dass wir beide etwas anders vom Leben wollten, doch mein Hirn sagte mir: "Alle heiraten jetzt, da kommt doch nichts mehr, also mach es auch." Diese Worte habe ich sogar ausgesprochen und meinem Vater gesagt, als er mich fragte, warum ich denn unbedingt heiraten möchte. Ganz schön dämlich, I know! Aber gut, ich habe die Quittung erhalten. Heute bin ich glücklich geschieden, aber mit dem Stigma "geschiedene Frau" umzugehen, war am Anfang nicht gerade leicht.
Heute bin ich fein damit, denn ich habe zu mir gefunden und vor allem mich wieder gefunden. Während der kurzen Ehe (inkl. Trennungsjahr waren es nur drei Jahre) hatte ich mich nämlich leider irgendwo zwischen meinem Kopf und meinem Herzen verloren. Es hat auch einige Zeit gedauert, bis ich wieder die Person wurde, die ich aus voller Überzeugung lieben kann. Und auch, wenn ich wieder ich bin, die gesellschaftlichen Zwänge und den großen Druck spüre ich fast täglich. Wer ein Zaubermittel dagegen hat, schreibt bitte eine Mail an hello@feminininnen.com. Oder teilt es gleich in den Kommentaren für alle sichtbar. Zu wissen, dass mensch nicht alleine ist, macht Mut und auch irgendwie ein kleines bisschen resistenter!
* Wir schreiben Frauen, wollen damit aber alle FLINT/FINTA und TransFrauen miteinschließen